Katherina Ushachov reviewed Feuerschwingen by Sabrina Železný (Ad Astra)
Eine faszinierende alternative Historie
4 stars
Content warning Erwähnung von Alkoholsucht und anderen Süchten
Das Buch lag bei mir seit dem BuCon 2018 auf dem Stapel ungelesener Bücher. Als auf dem Ohneohren-Server eine Leserunde dafür ins Leben gerufen wurde, dachte ich, dass ich das Buch endlich von diesem Stapel befreien sollte - und erstes Spontanfazit: Warum habe ich es bitte nicht schon damals gelesen?!
Es ist ein gutes Buch, auch wenn es ein paar Punkte gab, für die ich einfach gern gewarnt worden wäre, ehe ich zu lesen beginne. So war ich anfangs recht misstrauisch, wie der Umgang mit Süchten in diesem Buch vonstatten gehen würde - gleich die ersten Szenen spielen in einer zwielichtigen Spelunke und sowohl Manco als auch Gonzalo frönen dem Alkohol. Und weil Alkoholsucht in unserer Gesellschaft so normalisiert ist und auch gar nicht hinterfragt wird, und auch solche Spelunkenszenen ein geradezu klassisches Element in vielen Unterbereichen der Fantastik ist, hatte ich ein ungutes Gefühl. Aber letzten Endes geht das Buch sehr reflektiert mit dieser Sucht - und anderen Süchten (wie der von Manco nach Kommunikation mit den Hologrammen) um. Es ist realistisch, manchmal schmerzhaft realistisch, aber beide Charaktere werden mit dem Substanzenmissbrauch deutlich konfrontiert. Ich fand das gut gelöst, aber dies wäre dann eine Warnung für Lesende, die nicht unvorbereitet in die Geschichte reinfallen möchten.
Ich mochte die Welt unglaublich gern. Ehrlich gesagt so gern, dass ich mir Spin-Offs wünschen würde, in denen meine dringlisten Fragen geklärt werden könnten: - Wann und warum wurde in dieser alternativen Historie eigentlich die Erde verlassen, um im Weltraum zu siedeln? - Es gibt Kosaken, ein französisches Kaiserreich, die Iberer und die Inka (erwähnt werden außerdem Moche) - aber wen gibt es sonst noch so? Was machen die? Wie sehen deren Raumschiffe aus? - was für Androiden gibt es sonst noch, und was können die? - was wird eigentlich nach dem Ende des Buches aus Ravenne und Asiri? Ich wäre gern noch in der Welt der Feuerschwingen geblieben und hätte einfach erkundet. Dass der Roman das nicht liefert, ist keine Kritik - der erzählt nun mal die Geschichte der zwei sehr ungleichen Feuerschwingen und nicht mehr, nicht weniger. Ich will damit im Gegenteil ausdrücken, dass ich die Romanwelt drumherum als so lebendig empfand, dass ich gern zwischendurch die Hauptfiguren stehen gelassen hätte, um in der Weltgeschichte herumzuerkunden.
Das Abenteuer, das hier erzählt wird, ist aber auch nicht ohne. Neben waschechten menschlichen und nichtmenschlichen Monstern, vor denen es zu entkommen (oder die es zu besiegen) gilt, müssen beide auch mit ihren ganz eigenen Dämonen zurechtkommen. Schicht für Schicht entfaltet sich, warum Gonzalo eigentlich so unfassbar aggressiv auf Mancos Umgang mit Hologrammen reagiert - und warum Manco so geworden ist, wie er ist. Dass die beiden außerdem sich im Laufe der Handlung als Desasterqueers (liebevoll gemeint) herausstellen, ist die Kirsche auf der Sahnetorte, auch wenn es ein paar Mal zu Situationen führt, in denen ich die zwei gern mit den Stirnen aneinandergedoingt hätte. Die Suche nach Eldorado wird dabei zu einer Projektionsfläche, vor der sich innere und äußere Kämpfe entfalten dürfen - so lange, bis es plötzlich um etwas Größeres geht.
Weitere Content Notes, die dabei helfen könnten, abzuschätzen, ob das Buch was für euch wäre: - Übergriffiges Anfassen und Vergewaltingsdrohung gegen eine Hauptfigur. - Erwähnung von Kannibalismus. - Es wird impliziert, dass in dieser Welt Stierkampf existiert und auch erlernt / praktiziert wird. (Wobei im Buch selbst nie klar wird, ob nur die Techniken dazu erlernt werden, oder tatsächlich gegen Stiere gekämpft wird.) - Gore in Bezug auf Augen. Für mich war das Ausmaß gut händelbar, obwohl gerade der letzte Punkt einer ist, mit dem ich oftmals nicht gut umgehen kann.